Nichts für schwache Nerven. Wir wünschen trotzdem guten Appetit!
Gekürzter Ausschnitt aus ‚Ein Fuss zu viel‘.
Er stieg die Treppe runter in den Keller, wo im Tiefkühlraum die Leiche mittlerweile brettsteif gefroren neben den Keilern und Sauen der letzten zwei Wochen hing. Der Körper war zu kalt, um ihn aufzubrechen, deshalb wandte er die Dünnschnittmethode an. Er wickelte den toten Mistkerl mitsamt der Lederhose, die aufgrund der Kälte wie eine zweite Haut klebte, in mehrere Lagen mit Maisblättern ein, die er zuvor in flüssigheisser Gelatine aufgeweicht hatte. Diese Methode hatte zwei Vorteile: die Hüllschicht verhinderte das ungewollte Austreten von Körperflüssigkeiten, eine eigentlich unnötige Massnahme, denn auch die fluiden Stoffe waren brettsteif gefroren. Vor allem diente die organische Verpackung dazu, dass er dem Verblichenen, der tatsächlich kreideweiss auf dem Metzgertisch lag, bei seiner Arbeit nicht in die Augen schauen musste.
Der Anatom machte sich konzentriert ans Werk. Wie immer stellte er die Musik ohrenbetäubend laut. Es lief ‘Lark tongues in aspic’ von ‘King Crimson’, eine musikalische Gewohnheit, wenn er im Keller am Wursten war. Er fand das Album irgendwie passend zu seiner brachialen Handarbeit.
Mit der professionellen, bei vielen tausend Wildschweinkadavern bewährten Schneidemaschine, deren permanentes Kreischen nur von der Musik übertönt wurde, schnitt er wie bei einer grossen Salami Tranche für Tranche vom leblosen Körper und sorgte stets dafür, dass die Scheiben, einzeln abgepackt, sofort wieder in die Kältekammer kamen. Er hatte schon beide Beine bis zum oberen Wadenansatz tranchiert, als er sich bewusst wurde, dass er die Füsse einzeln bearbeiten musste. Der rechte Fuss war schnell geschnitten, aber beim linken wehrte sich eine unsichtbare Kraft gegen die weitere Verarbeitung. Die Versuchung auf schnell verdientes Geld war einfach zu gross! Einer der ‘Brüder’ im Darknet hatte seit Monaten hunderttausend Dollar für einen hellhäutigen, menschlichen Fuss geboten und er konnte diesem Angebot nicht widerstehen.
Danach kam seine ganze Routine bei der Verarbeitung unzähliger Wildschweinrotten zum Tragen. Scheibe für Scheibe, Tranche für Tranche wärmte er kurz mit einem Bunsenbrenner an, so dass er die Muskelstücke grob herausschneiden konnte. Die konzentrierte Hitze des Feuerstrahls ergab einen ganz besonderen Gout, behauptete er. Mit einem handelsüblichen Knetwolf entstand aus den Fleischstücken in Sekunden feinstes Hackfleisch. Das restliche gefrorene Bindegewebe mit allen Haut- und Knochenanteilen, auch den Lederhosen, sowie sämtliche Innereien wurde mit einer Knochenmühle aus dem Gastrobedarf zu einem groben Granulat zerkleinert. Diese körnige Masse gelatinierte im Anschluss durch Zufuhr konzentrierter Essigsäure aus und wurde, um die Säure wieder zu neutralisieren, nach etwa eine halbe Stunde mit verdünnter Natronlauge versetzt. Ein Sieb trennte die harten Rückstände wie Zähne und grosse Knochenstücke vom Rest der Masse. Zweimal durch die Knochenmühle mit dem Sediment, und es entstand ein grober Sand, der sich nach einem kurzen Einweichen in die Reste der Essigsäure zu einem gummiartigen Gries verwandelte. Dieses wurde unter die restliche Masse gemischt. Ausgewählte Alpenkräuter, nicht zu vergessen Koriander und Muskatblüte, dazu etwas Nitritpökelsalz, das der späteren Wurst eine frische, rötliche Farbe verlieh, und fertig war die aspikähnliche, immer noch leicht grobe Wurstmasse, die er in Naturdärme, selbstverständlich 100% Bio aus den Wäldern des Schweizerischen Mittellandes und des Italienischen Südtirols abfüllte.
Der Bunsenbrenner fand nochmals seinen Einsatz beim Ankohlen der Buchenspäne, die mit den zu Fetzen zerschnittenen Kleidern gemischt waren. Die Lederschuhe verkohlten besonders gut; ihre Eleganz verlagerte sich in der Gluthitze schnell von stylish zu olfaktorisch. So stellte er in einem Minibrennofen mit bewährter Methode innert weniger Minuten im aromatisierten Rauch gereifte, herrliche Kaminwurzen her. Weil die Würste noch eine gewisse Restfeuchtigkeit besassen, eigneten sie sich bestens für die Weiterverwertung auf dem Grill. Sie sahen im ungetrockneten Zustand ein bisschen aus wie die bekannteren Merguez, was auch geschmacklich passte, denn die zugeführten Gewürze waren ebenfalls ziemlich scharf.